Editorial 25
Mitten in der heißen Phase eines voraussichtlich aufgeladenen und ermüdenden Wahlkampfs lädt ECLAT ein zu einer großen, vielgestaltigen Erzählung darüber, worum es wirklich geht: um uns. Uns alle in unserer Einzigartigkeit, Widersprüchlichkeit, Zerbrechlichkeit, um unsere Behauptungen und Zweifel, Geschichten und Sehnsüchte, um unser Miteinander.
36 Künstler*innen aus 22 Ländern gestalten 16 Konzerte, Performances und Konzert-Installationen, darin 25 Uraufführungen–fantasievoll und reich an unterschiedlichen Genres, Stilen und Formaten.
Sich selbst im Kontext globaler Herausforderungen wahrzunehmen, führt zu persönlichen, oft spekulativen, dystopischen oder auch hoffnungsvollen künstlerischen Statements.
Verschiedene Bilder bzw. Ideen tauchen immer wieder in den Projekten auf, rote Fäden entspinnen sich: die Auseinandersetzung mit Heimat, auch aus der Perspektive des Exils, Identitätsfragen, die Suche nach dem Göttlichen, Inspiration durch historische Vorbilder, surreale Zukunftsprojektionen, grell-bunt-groteske Comics–und das Spiel. Spielen als Gemeinschaftsmoment, als Rückzugsort, als Möglichkeitsraum.
Internationale Gäste, als ECLAT-Debütanten die United Instruments of Lucilin aus Luxemburg, das Fabrik Quartet und Marco Fusi, und bewährte Stuttgarter Akteure, darunter das SWR Symphonieorchester und das SWR Vokalensemble, kuratiert von Lydia Jeschke, sowie erstmals das echtzeitEnsemble der HMDK Stuttgart prägen fünf abwechslungsreiche und spannende Festivaltage im Theaterhaus.
Mit dem Angebot, in diese Vielfalt aktuellen Musikschaffens einzutauchen, ist auch die Einladung verbunden, einander zuzuhören. Das ist nicht nur eine Phrase, sondern ein Methodenwechsel: Bewusst möchten wir die Vermittlung unseres Tuns weiter fassen und neben der bewährten Methode, nämlich zu zeigen, wie wertvoll und bereichernd die Erfahrung mit (zeitgenössischer) Musik sein kann, neue Wege gehen. Als Veranstalterin und Produzentin möchten wir gemeinsam mit Künstler*innen unsererseits zuhören und lernen, möchten künstlerische Impulse entwickeln aus der Kommunikation mit Menschen aus Lebenswelten, die fern unserer »Kunst-Bubble« sind. Ein Beispiel dafür ist Uwe Raschs Trilogie »Mit Ach und Krach«, die sich durchs ganze Festival zieht.
Wir haben als Zivilgesellschaft gemeinsam etwas zu erreichen, das wir nicht nach »oben« delegieren können. Das »Wir« und das »Miteinander« müssen viel mehr in den Blickpunkt geraten. Raus aus den Bubbles und weg vom Lobbyismus in nur eigener Sache. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir als Kunstschaffende einen relevanten Beitrag zum Zusammenhalt in einer stabilen demokratischen Gesellschaft leisten können und müssen.
»Wenn man etwas gestalten kann, dann wird man besser fertig mit der Welt«, sagt Michael Zwenzner, der in den Wochen vor ECLAT zahlreiche Interviews mit Künstler*innen des Festivals führt. Sie können diese Ge- spräche und weitere Vertiefungen des Programms ab Januar in unserem Portal auf der ECLAT Website sukzessive entdecken. Einer dieser Interviewten ist Alex Paxton. Mit seiner großen Feier der Sinnlichkeit eröffnen die Neuen Vocalsolisten und das Klangforum Wien das Festival am 5. Februar: »Gesang als Spiel, Zuhören als Berührung und Harmonie wie das Leben in einem Körper.«
Seien Sie herzlich willkommen!
Christine Fischer
und das Team von Musik der Jahrhunderte