One line

Freitag

»TrostKritikExperimentHarmonie. Die Bestandteile und Perspektiven des aktuellen Komponierens sind verschieden, womöglich waren sie nie unterschiedlicher als heute. Als die polnische Komponistin und Sängerin Agata Zubel die Arbeit an ihrem Chorstück begann, sah sie abstrakte Bilder von Gerhard Richter vor dem inneren Auge: Kunst, bei der vielfache Farbschichten und Abschürfungen zu einer komplexen grafischen Landschaft werden, die immer neue Farb- und Lichtwirkungen entstehen lässt. Für Ulrich Kreppein ist ein Text des engagierten spanischen Dichters Federico García Lorca der Ausgangspunkt für ein Stück zwischen Gesang und Geräusch. Für Younghi Pagh-Paan sind späte Gedichte von Rose Ausländer Ausgangspunkt für ein Chorstück, das sich mit dem Tod auseinandersetzt und mit dem möglichen Danach. Zwei instrumentale Debüts im ECLAT-Festival ergänzen die drei Uraufführungen des Chores: Das Duo Saviet/Houston spielt neue Werke der jungen türkischen Komponistin Zeynep Toraman und des Darmstädters Arne Gieshoff. Beide Komponisten setzen auf die große Experimentierlust des Duos und finden eine jeweils ganz eigene Poesie.« Lydia Jeschke

 

Die große kompositorische Bandbreite des Abendkonzerts wird im Nachtkonzert ergänzt durch ein konzeptuelles Format, das wir seit einigen Jahren regelmäßig bei ECLAT erleben: eine Art von Gesamtkunstwerk, bei dem ein Komponist ausgehend von der Musik auch alle Bereiche des Szenischen in seinen Händen hältText, Dramaturgie, Regie, Bühnenbild, Video bis hin zur Einstudierung.

 

Zu diesen Komponisten gehört François Sarhan, dessen großes Musiktheater La Philosophie dans le Boudoir wir bei ECLAT 2017 produziert haben. In Les Murs Meurent Aussi reagiert er auf die Situation des Krieges, mit dem Europa seit nunmehr drei Jahren konfrontiert ist. Das dokumentarische Musiktheater stellt Fragen nach Grenzen, Mauern und den menschlichen Konflikten, die durch diese Ordnungen und Mauern entstehen, und nach den Auswirkungen auf das alltägliche Leben. Es basiert auf bereits existierendem (YouTube)-Material und auf Interviews mit den Musikern, die ihre persönlichen Erfahrungenoder die ihrer Familiepräsentieren, als würden sie in eine Talkshow eingeladen oder interviewt werden, weil sie etwas Außergewöhnliches repräsentieren. »So traurig, aber manchmal auch hoffnungsvoll amüsiert über den Zustand der Welt«so kommentiert François Sarhan sein Werk.

 

Christine Fischer