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Interview

Svetlana Maraš (Komponistin)

ICTUS feat. Pony Says
Do 01.02., 21:00 Uhr

Musikwissenschaftler Michael Zwenzner im Gespräch mit Svetlana Maraš.

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MZ: Ich möchte dich zunächst bitten, dich und deine musikalischen Aktivitäten kurz und prägnant vorzustellen.

 

SM: Mein Name ist Svetlana Maraš. Ich arbeite als Musikerin, als Komponistin und Interpretin live-elektronischer Musik. Außerdem arbeite ich als Professorin für kreative Musiktechnologie an der Hochschule für Musik in Basel. Und das Feld meiner Arbeit umfasst eine Vielzahl von Formaten. Wie gesagt: Live-Auftritte, ich komponiere für Ensembles, ich baue Klanginstallationen. Ich liebe den Bau experimenteller Musikinstrumente. Ich liebe es, darüber nachzudenken, was ich tue. Und das spiegelt sich beispielsweise auch in meinen eher theoretischen Vorträgen über Ästhetik und Techniken elektronischer Musik wider. Ich schätze also, dass ich im Bereich der experimentellen Musik arbeite und mich täglich damit beschäftige. Es gibt also von meiner Seite eine Menge Arbeit und Nachdenken, wenn es um diesen gesamten Bereich geht.

 

MZ: Wenn Du über Deine Arbeit nachdenkst, würdest Du Dich in bestimmten Musiktraditionen oder bestimmten Genres verankert sehen? Gibt es Komponisten, auf die Du Dich beziehst, oder Musik vielleicht auch populärer Art, auf die Du Dich beziehst? Wie positionierst du dich diesbezüglich?

 

SM: Ich habe erst vor kurzem verstanden, dass ich mich in dem Bereich positionieren kann, der historisch unter dem Begriff der experimentellen Musik verstanden wird. Ich würde also sagen, dass experimentelle Musik eine Art Kontext und Feld ist. Und das sagt auch wirklich viel über den stilistischen Ansatz aus, den ich in meiner Arbeit verfolge. Ich wurde zum Beispiel nie sehr von der Pop-Art beeinflusst, andererseits aber sehr stark durch die Avantgarde und experimentelle Kunst. In jüngerer Zeit haben mich Fortschritte in der Musik, Technologie usw. sehr beeinflusst.

 

MZ: Es geht Dir also nicht darum, einen persönlichen Stil zu entwickeln, sondern Du wirst bei jedem neuen Projekt auf eine neue Art und Weise experimentieren und immer neue Lösungen und neue Ergebnisse finden?

 

SM: Genau! Bei diesem neuen Werk fange ich geradezu damit an, von Grund auf darüber nachzudenken, wie das Resultat sein wird. Wie kann ich diese Idee angehen? Denn nach meinem Verständnis gibt es für jede Idee eine adäquate Art und Weise, sie umzusetzen. Daher passen nicht alle Formen zu allen Ideen. Deshalb möchte ich mich wirklich mit der Idee selbst befassen. Was ist der wahre Weg, wie kann man es gut darstellen?

 

MZ: Nun kommen wir zu Deinem neuen Stück. Wie kam es zu dieser persönlichen Konstellation zwischen den Ensembles Ictus, Pony Says, und Dir? Wie eng war die Zusammenarbeit mit beiden Ensembles bei der Entstehung des Stücks?

 

SM: Ich habe schon früher mit Thilo vom Pony Says Ensemble zusammengearbeitet. So lernten wir uns vor einigen Jahren durch die Arbeit an einem Stück musikalisch kennen. Und für mich war das eine sehr interessante und herausfordernde Kombination, bestehend aus einem Ensemble, das fast vollständig elektronisch ist und andererseits einem eher akustischen Ensemble, die hier zusammenkommen würden. Für dieses Stück probiere ich also etwas völlig Neues aus, nämlich die Umsetzung meiner eigenen Arbeitsweise mit elektronischem Live-Sound, da ich eine versierte Interpretin live-elektronischer Musik bin. Mit diesem Stück versuche ich, diese Arbeitsweise auf das Ensemble zu übertragen. Wie bereits erwähnt, haben wir zwei Gruppen, eine elektronische und eine akustische, sodass alle Musiker, die elektronische Instrumente spielen, grundsätzlich auf die gleiche Weise an die Arbeit herangehen, wie ich bei meinen Konzerten an mein eigenes Live-Set herangehe.

 

MZ: Bist Du auch als elektronische Live-Performerin an der Aufführung des neuen Stücks beteiligt?

 

SM: Nein, ich werde nicht spielen. Ich verfolge eigentlich alles, den gesamten Arbeitsprozess, den wir aufgebaut haben. Also haben wir einige elektronische Instrumente zusammengestellt und ihre Setups so konfiguriert, als ob ich sie mit meiner Herangehensweise an elektronischen Sound spielen würde. Und nun müssen diese Interpreten sie wie neue Instrumente nutzen und lernen, mit ihnen zu spielen. Und ich denke, das ist sehr interessant. Ich denke, das ist etwas ganz anderes, als ein festes Musikstück mit festen Klängen zu komponieren. Es geht vielmehr darum, die Instrumente zu komponieren und mit der vorhandenen Technologie zu arbeiten. Im Grunde genommen haben diese Musiker des Ensembles Pony Says bestimmte Setups, die ich im Umgang sehr detailliert zu verstehen versucht habe, um sie so zu nutzen, dass ich diesen elektronischen Sound erreiche, auf den ich mich derzeit konzentriere.

 

MZ: Bist Du kompositorisch auf die interpretatorischen Eigenheiten und technischen Fähigkeiten dieser Musiker eingegangen? Ist etwas davon in Dein kompositorisches Denken eingeflossen?

 

SM: Sicher. Bei dieser Arbeitsweise besteht die Idee darin, die Instrumente zu konfigurieren, alle Möglichkeiten zur Manipulation des Klangs zu entwerfen, sie dann aber einfach als akustische Instrumente den Interpreten zur Verfügung zu stellen, die sie dann mit beliebigen Techniken und Fertigkeiten einsetzen können oder Affinitäten, die sie haben, wenn sie mit ihnen spielen.

 

MZ: Ich verstehe. Vielleicht gibst Du uns noch ein paar weitere grundlegende Informationen zu Deiner neuen Arbeit. Hast Du Dich bereits für einen Titel entschieden?

 

SM: Der Titel des Stücks ist Firekeepers. Ich mag diese Idee. Das Stück ist also, wie gesagt, im zeitlichen Ablauf nicht fixiert, oder wenigstens nicht gänzlich fixiert. Es ist also offen für Improvisation und in gewisser Weise aleatorisch. Für mich bedeutet das natürlich viel Improvisation, eine bestimmte Art sozialer Hierarchien und Verhaltensweisen, die mich sehr ansprechen. Und mit der Idee von Firekeepers sollte der Gedanke verbunden sein, dass die Musiker des Ensembles gemeinsam daran arbeiten, den Klang vom Anfang bis zum Ende am Leben zu erhalten, ihn irgendwohin zu bringen und ihn nicht ausgehen zu lassen.

 

MZ: Was kannst Du mir über die Besetzung mit einem Solotrio und einem Ensemble sagen? Wie sieht es mit den Konzepten des Zusammenspiels beider Ensembles aus? Gibt es eine Art konzertierenden Wettbewerb oder verändern sich die Beziehungen zwischen Kollektiv und Individuum? Wie hast Du hier gearbeitet?

 

SM: Bei dieser Arbeit habe ich hauptsächlich über den Klang selbst nachgedacht, also darüber, wie der Klang geformt wird. Für mich ist es die Hauptbeschäftigung, über diesen Hybrid aus hauptsächlich elektronischem, aber auch akustisch verstärktem Klang nachzudenken. Und so gesehen ergibt sich alles aus diesen Ideen, wie ich diesen Klang strukturiere, auch all diese Arten der Beziehungen zwischen den Performern, wie Du sagst, hängen davon ab. Es wird alles von der Art und Weise beeinflusst, wie der Klang selbst strukturiert ist.

 

MZ: Der Bühnenaufbau trennt die Ensembles also nicht, sondern kombiniert sie? Wie ist der Bühnenaufbau?

 

SM: In gewisser Weise haben wir zwei Gruppen in einer sehr einfachen Aufteilung, aber das ist ein sehr elektronisches Stück, was bedeutet, dass jeder verstärkt wird. Weißt Du, all diese Konfigurationen findet im Klang selbst statt. Also durch die Lautsprechern, dadurch, wie diese Klänge im Raum positioniert sind. Die räumlichen Verhältnisse auf der Bühne verraten also nicht so viel.

 

MZ: Was die Codifizierung dessen betrifft, was Du tust: Es gibt modularen Arten der Notation. Gibt es auch eine reguläre niedergeschriebene Partitur, oder erfolgt die Organisation durch gegenseitiges Zuhören oder durch gegenseitiges Triggern oder durch Click-Tracks? Wie funktioniert die zeitliche Organisation auf der Bühne?

 

SM: Für mich ist die Arbeit mit fixierter Musik schon lange nicht mehr reizvoll. Ich glaube, ich habe das Interesse an etwas, das aufgezeichneter Klang oder, wie ich sagte, im zeitlichen Ablauf fixiert ist, fast völlig verloren. Andererseits gibt es viele Dinge, die in diesem Stück festgelegt sind, nämlich die Gestaltung des Klangs und der Instrumente selbst. Daran habe ich nun schon viele Jahre gearbeitet und jetzt hat es in meinem Live-Auftritt wirklich eine sehr profilierte Form angenommen, diese Herangehensweise an die Arbeit mit Klang. Die Idee ist, dass es keine festen Materialien mit bestimmter Dauer gibt, sondern dass die Musiker mit Klangobjekten arbeiten. Und diese Klangobjekte wurden im Laufe der Geschichte auf viele verschiedene Arten definiert. Aber meiner Interpretation nach haben diese Klangobjekte mehrere Stufen, und mit der Technologie, die wir heute haben, ist es möglich, eine große Flexibilität bei der Bewegung durch die Möglichkeitsräume dieser Klangobjekte zu haben und sie gewissermaßen von einer Stufe zur anderen und zurück wiederzugeben. Es ist also sehr flexibel, wie man mit diesen Materialien spielt, also nicht die eine klar definierte Sache zu zeigen, dann eine andere, sondern mit einer einzigen Sache zu arbeiten, die für sich genommen eine gewisse Entwicklung mit sich bringt. Grundsätzlich werden also jedem Instrumentalisten im Ensemble Klangobjekte zur Verfügung gestellt, die teilweise durch diese elektronischen Instrumenten umgesetzt werden. Bei akustischen Instrumenten werden sie durch die Verwendung der Notation definiert, einer traditionelleren Notationsart. Aber die Art und Weise, wie die Musiker sich durch diese Materialien bewegen, ist flexibel. Also, ich habe das schon einmal gemacht, und diese zeitliche Flexibilität ist in meiner Musik schon seit langem präsent. Andererseits wird, wie gesagt, vieles durch den Klang selbst bestimmt. Wie man etwas spielt, wie etwas erklingt, wo und wie lange etwas erklingt, ist bereits durch die Definition der Klangobjekte festgelegt.

 

MZ: Also wird jede Aufführung zu völlig anderen Ergebnissen führen, oder gibt es einen Kern, der im ästhetischen Sinne immer präsent ist, und den man als Teil dieses spezifischen Stücks erkennen kann?

 

SM: Auf jeden Fall. Es handelt sich in starkem Maße um eine Komposition, da es sich nicht um freie Improvisation handelt. Das ist nur ein Vergleich, denn ich denke, dass wir mit unserer Arbeitsweise einen bestimmten Rahmen entwerfen, innerhalb dessen wir uns bewegen können und der bestimmte Bewegungen zu Klängen hin und wieder von ihnen weg zulässt, damit also eine gewisse Flexibilität und Elastizität des Materials zulässt. Aber man ist keineswegs völlig frei.

 

MZ: Es gibt also am Ende auch eine formale Gestaltung, eine dramaturgische Abfolge der Dinge, die Du festgelegt hast. Vielleicht kannst Du erklären, wie Du hier vorgegangen bist?

 

SM: Ich denke, dass diese Arbeitsweise die Möglichkeit einer sehr modularen Kombination der vorhandenen Elemente bietet. Daher könnte ich mir vorstellen, mit dem gleichen Ensemble eine weitere Aufführung zu realisieren, es dafür aber anders zu konfigurieren. So werden diese Materialien und Dauern grundsätzlich auf unterschiedliche Weise kombiniert. Vielleicht sollte ich noch einmal darauf zurückkommen, die Idee dieser Klangobjekte zu erklären: Jedes Instrument oder jeder Instrumentalist hat also ein bestimmtes Klangobjekt, mit dem er oder sie eine Weile spielen kann. Dies wird als »Instrument« bezeichnet. Dieses »Instrument« ermöglicht beispielsweise bestimmte Möglichkeiten innerhalb eines einzigen Abschnitts. Und im Grunde führt die Art und Weise, wie sich dieser Künstler durch dieses Material bewegt, und die Art und Weise, wie andere Künstler sich durch ihr Material bewegen, zu unterschiedlichen Ausrichtungen auf einer horizontalen Ebene. Das bedeutet alsound das ist für mich etwas Spannendes –, dass jedes Mal unerwartete Kombinationen dieser Materialien entstehen können.

 

MZ: Hast Du die Dauer der Präsentation definiert?

 

SM: Ja, ja, in dem Sinne, dass einige Abschnitte zeitlich definiert sind. Und innerhalb dieser Abschnitte gibt es eine gewisse Flexibilität in der Art und Weise, wie die Darsteller interagieren können.

 

MZ: Nun verstehe ich sehr gut, was Du meinst, wenn Du sagst, dass Du dich sehr auf die experimentelle Seite der Präsentation von Musik konzentrierst.

 

SM: Vielleicht war das zu abstrakt, aber mal sehen. Vielleicht lässt sich aus meinen Ausführungen etwas herausholen. Ja.

 

MZ: Auch Philip Krebs hat ein neues Stück für diese Besetzung komponiert. Meine Frage an ihn war, ob er versucht, musikalische Symbole für Hierarchien und Machtstrukturen oder verschiedene Formen der Sozialität innerhalb der Musik zu schaffen, ob dies ein Interesse ist, das ihn irgendwie zu seiner Musik bringt. Ist das ein Aspekt, der wichtig für Dich ist?

 

SM: Ich denke, das ist eine sehr wichtige Frage. Denn was auch immer wir tun, es spiegelt unsere Einstellung zu solchen Themen wider. Ich denke, das Konzept meines Stücks, der Titel selbst ist Firekeepers. Das impliziert, dass es eine gewisse Art von Zusammengehörigkeit und Gleichberechtigung gibt und auch einen Ansatz, grundsätzlich über jedes einzelne Instrument innerhalb des Ensembles nachzudenken. Für mich impliziert der Titel meines Stücks eine Arbeitsweise, die jedem Interpreten eine gewisse Flexibilität ermöglicht. Ich denke, es spiegelt die Idee wider, dass die einzelnen Interpreten innerhalb des Ensembles völlige individuelle Freiheit und Ausdrucksmöglichkeiten haben. Und wie Du es formuliert hast: Machtverhältnisse sind nur durch den Gesamtklang selbst gegeben. Alle Musiker arbeiten daran, diesen Gesamtklang in einem Moment zu formen. Ich denke also, dass es viel über diese Art von gemeinsamen Versuchen spricht, etwas zusammen zu unternehmen.

 

MZ: Es handelt sich also um eine sehr demokratische Art und Weise, Musik zu machen, die mir sehr gefällt, muss ich sagen. Würdest Du dem zustimmen?

 

SM: Ich denke, ich würde Dir zustimmen. Und ich denke, es passt auch zu dieser Idee, dass ich in diesem Sinne nicht gerne mit fixiertem Material arbeite und mich nicht als Komponistin betrachte, die genau angibt, welcher Klang an welchem Ort und zu welcher Zeit wie lange stattfindet. Daher tendiere ich dazu, mich als Mitglied des Ensembles zu begreifen. Ich definiere einige Anteile des Stücks, aber die Musiker definieren auch einige Anteile des Stücks. Diese Arbeitsidee gefällt mir wirklich gut. Ich meine, dieser Gleichheitsgedanke sollte für mich auch die Haltung gegenüber dem Publikum widerspiegeln, denn wir wissen grundsätzlich nicht, was am Ende dabei herauskommt. Ich sehe diese Arbeit eher als einen Prozess, bei dem sowohl das Ensemble als auch das Publikum zusammenarbeiten, um zu hören, was passieren wird. Es geht also mehr um dieses gemeinsame Hörerlebnis als um die Präsentation eines fertigen Stückes oder einer klanglich klar definierten Arbeit.

 

MZ: Gibt es weitere Gestaltungsebenen, die für die ästhetische Wahrnehmung Deines Stückes besonders wichtig sind und über die Du sprechen möchtest? Mit welchen Klangqualitäten arbeitest Du am liebsten? Möchtest Du dazu etwas sagen? Es geht mir um den Umgang mit verschiedenen Parametern, die Du z.B. im Hinblick auf Klangqualitäten und gestische Qualitäten gewählt hast. Gibt es etwas, über das Du gerne sprechen würdest und das dem Publikum helfen könnte, die eigene Aufmerksamkeit richtig zu fokussieren?

 

SM: Ich fühle mich auf jeden Fall von Technologie inspiriert. Und so ein besonderes Setup wie dieses zu habenalso einen Teil des Ensembles mit elektronischen Instrumentendas war für mich schon etwas, mit dem ich anfangen konnte zu arbeiten, um herauszufinden, wie ich dieses Setup am interessantesten und kreativsten nutzen kann. Deshalb habe ich ein paar kleine Workaroundsum nicht zu sagen Hacksgemacht, wie dieses Gerät auf eine Weise genutzt werden kann, die bestimmte Interpretationsmöglichkeiten ermöglicht, die über diese sehr momentane Spielweise, sagen wir, eines Midi-Keyboards hinausgeht. Aber weißt Du, mit den Touch-Interfaces, die den Musikern heute zur Verfügung stehen, mit der Möglichkeit, unterschiedliche Arten von Eingaben und Interaktionen zu quantifizieren, schaffen wir meiner Meinung nach Möglichkeiten, den Klang zu manipulieren, die sich in der Art und Weise widerspiegeln, wie die Musik am Ende zusammenkommt.

 

SM: Deshalb habe ich dem Design der Interaktionen des Setups jedes einzelnen Instruments große Aufmerksamkeit geschenkt. Und da ich in der elektronischen Musik arbeite, denke ich auch viel darüber nach, dass das Stück in Stereo funktioniert und man im Grunde nur zwei Lautsprecher hat. Was kann man also in diesem Bereich zwischen links und rechts tun? Wie kann ich unterschiedliche akustische Räume schaffen, wie kann ich unterschiedliche Klangbewegungen und Klangtransformationen erzeugen, die das Publikum als interessant empfinden kann? Das ist also mein Beschäftigung, wie ich annehme.

 

MZ: Wie stark hängen diese Klangwelten mit den gestischen und visuellen Qualitäten des Instrumentalspiels zusammen? Ist das sehr eng miteinander verbunden oder kann es auch völlig auseinanderdriften?

 

SM: Nun, ich denke für jemanden, der nicht genau weiß, wie diese Instrumente funktionieren …es ist eines dieser Probleme, die heutzutage immer wieder auftreten: Ich denke, wir haben das Verständnis dafür verloren, was im Hintergrund der Technologien passiert. Gerade jetzt, im Zeitalter der KI-Technologie, wo alles sozusagen hinter unserem Rücken geschieht und wir uns des gesamten Entstehungsprozesses nicht mehr bewusst sind, wird es fragwürdig, nicht? Würde vielleicht ein vorproduzierter Klang genügen, oder ergibt es Sinn, ihn live zu spielen? Nun, für mich ist es sehr wichtig, dass er live gespielt wird, denn auch wenn es mir nicht so sehr um Performativität geht, geht es mir doch um Interaktion. Ich denke, dass die Art und Weise, wie mit dieser Technologie interagiert wird, auf solide Weise bestimmte Ergebnisse mit sich bringt, die auf andere Weise nicht erreichbar sind. Das ist also der springende Punkt bei dem, was ich mache, und ich denke, dass man das mit aufgezeichnetem Klang oder Fixed Media nicht erreichen könnte. Aber wenn ich die Art und Weise der Nutzung der Technologie so gestalte, dass diese Interaktion sehr flexibel, sehr vielseitig wird, wird meiner Meinung nach der Klang selbst anders. Das lohnt sich für das Publikum vielleicht zu wissen. Aber wie gesagt, ich denke, wir leben in einer Zeit, wo man sich eine Sache ansehen kann und nicht weiß, welches Ergebnis sieh aus ihr ergibt. Ich denke, es wird sehr schwierig sein, genau herauszufinden, wie die Zusammenhänge wirklich sind. Für mich steht die Performativität in meinen Arbeiten eigentlich nicht im Vordergrund. Ich denke, das kommt von dieser Interaktion mit einem Instrument, denn ich gehe elektronische Musik auch dann sehr instrumental an, wenn ich selbst spiele. Alles, was damit zu tun hat, wie die Dinge aussehen, also alles, was vielleicht auch mehr in Richtung Musiktheater oder was auch immer geht, szenischere Situationen, liegt überhaupt nicht in meinem Fokus. Mein Fokus liegt wirklich auf dem Klang selbst.

 

MZ: Vielleicht kommen wir nun zu ein paar allgemeineren Fragen betreffs des Festivals, das sich vielen verschiedenen Themen zuwendet. Vielleicht würdest Du zustimmen, wenn ich sage, dass wir im Moment in ziemlich dunklen Zeiten leben. Meine Frage dazu wäre: Wie gehst Du damit um? Wie ist Dein persönlicher Krisenmodus als Komponist im Angesicht der Realität. Gibt es hier Zusammenhänge oder möchtest Du die Dinge lieber auseinander halten? Also: Ästhetische, künstlerische Arbeit hier und dein Alltag und all die Dinge, die Du erlebst dort, auch im politischen, gesellschaftlichen Sinne?

 

SM: Ich denke, das spiegelt sich in meiner Arbeit immer wider. Unsere Zeit spiegelt sich also immer in dem wider, was wir tun. Und wie wir das filtern und in unserer Arbeit zeigen, ist für mich eine Frage ästhetischer Entscheidung. (…) Ich glaube nicht, dass ich jemals explizit politische oder außermusikalische Fragen anspreche. Aber ich denke, auf der strukturellen Ebene, wie ich an die Arbeit mit Klang herangehe, spiegelt sich das meiner Meinung nach wirklich wider. So sagt zum Beispiel auch die Art und Weise, wie ich mit Technologie nutze, etwas darüber aus. Ich denke, die Technologie sollte für jeden zugänglich sein, eine zugängliche Möglichkeit sein, mit elektronischem Sound zu arbeiten. Deshalb ist es meiner Meinung nach etwas, was wir tun können, um Fortschritte zu erzielen, indem wir den Menschen die Türen öffnen, damit sie über die ganz einfachen und banalen Dinge hinausgehen. Und ich denke, wir leben im Zeitalter des Teilens einer Vielzahl von allem. Und dies in unserem Handeln zu berücksichtigen, ist wahrscheinlich ein entscheidender Teil davon. Der Zurücklassen dieser sehr deterministischen und sehr spezifischen Aussage in unserer Arbeit ist vielleicht eine Möglichkeit, um mit der größeren Gemeinschaft in Kontakt zu treten.

 

MZ: Vielen Dank. Abschließend, vielleicht zum Abschluss unseres Gesprächs, würde ich Dich bitten, mir eine sehr kurze Erklärung zu geben, die dazu geeignet ist, das Publikum zu animieren, das Konzert zu besuchen, anhand von ein paar Informationen über Dein Stück, über Deine Absichten. Wenn Du das innerhalb einer Minute könntest, wäre das schön.

 

SM: Bei meinem neuen Stück Firekeepers für die Ensembles Pony Says und Ictus habe ich versucht, einige Arbeitsweisen mit elektronischem Sound zu integrieren, die ich über Jahre hinweg für meine Live-Auftritte entwickelt habe. Die Übertragung dieser Arbeitsweise auf ein großes Ensemble ist für alle, sowohl für die Interpreten wie mich, völlig neu. Es gibt hier eine große Flexibilität in der Art und Weise, wie Klänge in einer Konzertsituation zusammenkommen können. Deshalb möchte ich das Publikum einladen, sich uns anzuschließen, denn wir werden uns alle am selben Ort befinden und geistig wie körperlich lauschen, was dabei herauskommen wird. Nicht in dem Sinne, dass wir ein Experiment machen und dabei erwarten, dass eine großartige Lösung, eine Auflösung oder etwas ganz Außergewöhnliches passiert. Vielmehr möchte ich das Publikum einladen, sich uns anzuschließen und zu hören, wie wir uns weiterentwickeln können, vielleicht auf eine Art und Weise, die, sagen wir mal, nicht Teil der Mainstream-Klangkultur ist.

 

MZ: Vielen Dank, Svetlana. Wunderbar. Ich freue mich sehr darauf, Ihr Stück zu hören.