One line

Alberto Posadas: Tombeau & Double

für Viola solo

(2014)

»Tombeau & Double« sind zwei Werke für präparierte Viola, die in Gedenken an Gerard Mortier komponiert wurden. Sie sind verbunden mit dem Barockzeitalter, nicht nur bezüglich des Genres des »Tombeaus«, sondern weil das Verhältnis der beiden Werke zueinander dem Verhältnis zwischen einem Tanz und seinem »Double« in den Suiten dieser Zeit gleicht.

 

Während im Barockzeitalter das »Double« eine Ornamentierung des vorausgehenden Stücks war, ist die Idee der Ornamentierung in diesem Fall ersetzt durch die der Fraktalisierung. Das »Double« beschäftigt sich mit dem vorherigen Tombeau, indem es in dieses hineinzoomt. Vom ersten Werk ausgehend, öffnet das zweite eine tiefere Ebene des Maßstabs, es bildet die Konstruktionsform des Tombeaus auf kleineren Levels nach. Dies beeinflusst erheblich die Wahrnehmung und etabliert ein Spiel mit der Erinnerung. In diesem Prozess des Erinnerns behält Double einige Elemente von Tombeau und »vergisst« andere. Und gleichzeitig entstehen einige Elemente, die man glaubt, schon zuvor in Tombeau wahrgenommen zu haben, auch wenn dies freilich nicht der Fall war.

 

Die Idee der Fraktalisierung ist schon in Tombeau präsent. Es basiert auf dem Lindenmayer Systemeiner formalen Grammatik, die genutzt wird, um die Sprache hinsichtlich der musikalischen Materialien und ihrer Beziehung zueinander zu gliedern. Die Zeitstrukturen ändern auch den Maßstab der Proportionen, die der metrischen Gliederung der Makrostruktur des Werks entnommen wurden. Die Viola selbst wird durch ihre Präparierung zum wichtigen Faktor, um neue Beziehungen zu schaffen.

 

Die Präparierung verwandelt die Viola in ein Instrument, das eine Polyphonie von Klangfarben und Klangkategorien zur Verfügung stellen kann, von verhüllten bis zu gefilterten Klängen, von hölzernen Naturklängen bis hin zu kristallinen (nah an der Welt der Harmonien), metallischen, Multiphonics oder sogar verzerrten Klängen. Alle diese Kategorien etablieren verschiedene Verbindungen mit dem gewohnten Timbre des Instruments, dieses konfrontierend, überlappend oder amalgamierend.

 

Tombeau wurde von der BBVA Foundation für den »V Ciclo de Conciertos de Música« der Fundacion Bilbao beauftragt, Double durch das Festival Démesurées in Clermont Ferrand. Beide Werke wurden für Christophe Desjardins geschrieben.

(Alberto Posadas)